Nichts kann so unsichtbar machen – wie die Öffentlichkeit. Man kommt ständig an Kunst im öffentlichen Raum vorbei und schert sich nicht darum. Es fehlt der institutionelle Rahmen eines Museums, in dem es gelingt, sogar Gegenstände des alltäglichen Gebrauchs zu Meisterwerken der Kunst zu erheben, es fehlt meist auch der besondere Anlass, den der Besuch eines Museums darstellt.
Bei mir selbst – mit all meiner Neugierde auf Kunst und ausgestattet mit allerhand bildungsbürgerlichem Rüstzeug – machte sich meist ein Gefühl der Hilflosigkeit, oft auch einfach Gleichgültigkeit breit, wenn ich vor einem Kunstwerk im öffentlichen Raum zu stehen kam. Auch in jenen Fällen, in denen ich mich dem Objekt durchaus absichtsvoll genähert hatte …
Die Lage in der Öffentlichkeit ist für die Kunstbetrachtung und die Reflexion auf Kunst offensichtlich eine grosse Hürde: Ist das Kunstwerk vom Lärm und Gewimmel des Lebens bedrängt, wirk es zumeist tot und überflüssig, bestenfalls dekorativ. Dabei bietet sich bei der Kunst im öffentlichen Raum – im Gegensatz zum Museum – die Chance, Kunst und Alltag ganz direkt miteinander in Beziehung zu setzen und beide Instanzen durch die jeweils andere neu wahrzunehmen. Nur fällt das schwer. Zu einem guten Teil mag es daran liegen, dass das Blickfeld des menschlichen Auges zu weit ist und man im öffentlichen Raum kaum anders kann, als Blick und Aufmerksamkeit beständig schweifen zu lassen.
Mir gelingt die Erfahrung von Kunstwerken im öffentlichen Raum erst, seit ich es das erste Mal mit der Spiegelreflexkamera versucht habe. Die Wahrnehmung verändert sich im Blick durch den Sucher radikal. Das Blickfeld lässt sich nun einschränken und es fällt bedeutend leichter, den Blick auf einen Gegenstand zu fixieren. Auch ist das Fotographieren eine viel spezifischere Tätigkeit als das blosse Betrachten. Die Produktion von Bildern ist eine Mission, auf die man sich ganz und gar konzentrieren muss. Es gilt die fotographischen Gestaltungsmittel einzusetzen, um Bildwirkungen zu erzielen. Das macht den gestalterischen, den künstlerischen Akt, der eigentlich jedem Blick innewohnt, wieder bewusst.
Auch hat der Fotoapparat einen quasi-musealen Effekt. Nicht, indem er Kunst und Alltag räumlich trennt, vielmehr indem er bewirkt, dass die gesamte öffentliche Umgebung nicht mehr als die eigene Lebenswelt empfunden wird. Alles Sichtbare verwandelt sich beim Blick durch das Okular in potentielle Bildspender, alles bietet sich als Form, Farbe und Metapher an, der Gegensatz von Kunst und Alltag besteht plötzlich nur noch in der Differenz zweier Meta-Ebenen. Die Fotographie wird selbst zum Kunstwerk, indem sie diese Differenz immer wieder neu entdeckt und sie zum Vorschein bringt. jz